33SERVICE SEITEN Gesundheit BS WOB 2022F A C H I N F O R M AT I O N SILKE GROß AWO Psychiatriezentrum Königslutter LEITENDE ÄRZTIN Silke Groß arbeitet seit 2021 im AWO Psychiatriezentrum und ist als Leitende Ärztin für die Tageskliniken und Institutsambulan zen zuständig Zuvor war sie einige Jahre als Oberärztin in der Psychiatrischen Institutsambulanz des Städtischen Klinikum Braunschweig tätig Ihre Erfahrungen im Bereich ADHS stam men aus ihrer mehrjährigen Mitarbeit in der Klinischen For schergruppe ADHS an der Klinik für Psychiatrie Psychotherapie und Psychosomatik der Universität Würzburg Es ist nachvollziehbar dass im Erwachsenenalter psy chiatrische Komorbiditäten das heißt zusätzliche Be gleiterkrankungen in den Vordergrund treten ADHS erhöht das Risiko im Laufe des Lebens weitere psychische Probleme zu bekommen Der Anteil der Komorbidität für Angststörungen einschließlich sozialer Ängste liegt bei Erwachsenen bei mindestens 20 bei affektiven Stö rungen Depressionen bei 40 und bei Persönlichkeits störungen bei 35 Mit 60 ist der Anteil von Suchterkrankungen besonders hoch ADHS ist ein Risi kofaktor z B für Diabetes Übergewicht oder Bluthochdruck für Schlafprobleme oder Allergien und Asthma Auch psychosomatische Störungen und Schmerzstörungen findet man häufig als Begleiterkrankungen ADHS gibt es in allen Kulturen der Welt und es ist auch nicht durch den modernen Lebensstil verursacht die medizinischen Erstbeschreibungen gibt es seit 1775 Man geht von einem sehr starken genetischen Einfluss aus wobei es sich um eine Vielzahl von genetischen sehr kleinen Merkmalen handelt die in der Summe und in einem deutlichen Zusammenhang mit zusätzlichen Umgebungsfaktoren zu dem klinischen Bild führen das wir als ADHS kennen In psychologischen Test und in modernen Bildgebungsstudien kann man verschiede ne kleine Unterschiede in der Struktur und in der Funktion des Gehirns feststellen die aber nicht zur Diagnostik einer ADHS verwendet werden können Die Diagnose ADHS bei Erwachsenen wird durch eine ausführliche psychiatrische Anamnese gestellt Hier ist es notwendig feststellen zu können dass bereits in Kindheit und Jugend Probleme bestanden die auf ADHS zurückzuführen sind Hier geben z B Schulzeugnisse deutliche Hinweise auch eine sogenannte Fremdana mnese durch Eltern oder Partner vervollständigen das klinische Bild Es ist notwendig mögliche andere psychiatrische Erkrankungen auszuschließen oder zu klären inwieweit es sich um zusätzliche Begleiterkran kungen handelt Körperliche Erkrankungen müssen ausgeschlossen werden so wird auch eine Blutunter suchung durchgeführt In Einzelfällen kann man auch ein EEG oder eine Bildgebung des Kopfes durchführen Auch psychologische Fragebögen kommen zur Anwen dung und aus allen Befunden zusammen erhält man die klinische Diagnose ADHS Man kann ADHS behandeln und man sollte ADHS auch behandeln Eine gute Behandlung steht auf mehreren Beinen Am Wichtigsten gerade in der Behandlung von Erwachsenen ist es dass die Diagnose überhaupt gestellt wird Eine ausführliche Psychoedukation über das Störungsbild ermöglicht den Patienten die häufig einen langen Leidensweg hinter sich haben sich mit der Ursache ihrer Schwierigkeiten zu beschäftigen Dies ist ein anstrengender und auch schmerzhafter Prozess Hier können Selbsthilfegruppen sehr hilfreich sein weil die Betroffenen zum ersten Mal erleben dass sie mit ihren Problemen nicht alleine sind Bei Erwachsenen wird in den medizinischen Leitlinien bei deutlich die Lebensqualität einschränkenden Problemen eine medikamentöse Behandlung empfoh len Der bekannteste Wirkstoff ist Methylphenidat besser bekannt unter dem Handelsnamen Ritalin Dieses Medikament gehört zu den ältesten zur Verfü gung stehenden Arzneimitteln in der Psychiatrie überhaupt Es ist weder ein Wundermittel noch ein Teufelszeug als welches es häufig dargestellt wird Im Rahmen eines individuellen Behandlungsplans mit guter fachärztlicher Begleitung kann es aber die Basis schaffen um einen Alltag wieder auf die Reihe zu bekommen Natürlich gibt es noch weitere Medika mente die zur Behandlung von ADHS sinnvoll eingesetzt werden können Selbstverständlich ist eine psycho therapeutische Unterstützung sinnvoll umso mehr wenn die Last der Komorbiditäten groß ist Es ist zu wünschen dass die Vorurteile mit der sich das Störungsbild ADHS besonders bei Erwachsenen immer noch konfrontiert sieht weiterhin abgebaut werden Dies gilt für die Gesellschaft die sich hier auch die Folgekosten durch fehlende Behandlung wie z B Arbeitslosigkeit fehlende Ausbildung oder Frühberen tungen bewusst machen sollte Ein großes Problem für die Betroffenen ist leider auch die fehlende Akzeptanz bei vielen Profis die sich aus Unkenntnis oder aufgrund von Vorurteilen weigern diese Patienten ernst zu neh men und entsprechend der Leitlinien zu behandeln Dies gilt umso mehr für von ADHS betroffene Familien
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