Inwieweit wird sich Bildung durch Digitalisierung weiter verändern  STEINDORFF  Die Digitalisierung bietet ein riesiges Potenzial Bil dung zu verbessern Mit digitalen Lehrmitteln ist es möglich auf den einzelnen Schüler entsprechend seiner Talente seines Wissens tands und seines Lerntempos zugeschnittene Lehrangebote zur Verfügung zu stellen Gleichzeitig müssen wir aber auch die Gefahren im Blick behalten Die digitalen Lehrmittel ermög lichen es den Lehrern theoretisch zu verfolgen wie oft wie lange und mit welchem Erfolg ein Schüler damit gearbeitet hat Wollen wir solch orwellsche Zustände  DR KAHLE  Eine Grundlage an digitalen Zukunftsfähigkeiten muss so früh wie möglich vermittelt und Bestandteil einer jeden schulischen Ausbildung werden um unsere Gesellschaft bestmöglich auf die Zukunft und ihre Herausforderungen vorzubereiten  WEILMANN  Bereits heute gibt es digitale Angebote in Schulen wie zum Beispiel Antolin eine Anwendung zur Leseförderung mit rund 94 000 Kinder und Jugendbüchern Teilweise werden Lehrervorträge durch Erklär Videos ersetzt um im Unterricht mehr Zeit für die praktische Anwendung zu haben und mit den Lehrkräften Fragen zu erörtern Einige Wolfsburger Schulen gehen diesen Weg schon Macht es heutzutage überhaupt noch Sinn klassische Ausbildungsberufe zu erlernen wenn im Zuge der Digitalisierung die künstliche Intelligenz so weit entwickelt ist dass eine Maschine oder ein Roboter die Aufgabe besser und schneller erledigt  STEINDORFF  Gewiss wird der eine oder andere Beruf in Zukunft aussterben da ihn der technologische Wandel in Produktion Handwerk und Dienstleistung überflüssig gemacht hat Doch es gibt hier große Chancen Viele einfache Arbeiten kann uns ein Roboter abnehmen sodass wir uns auf die wichtigen Dinge kon zentrieren können Ein Beispiel Ein Roboter in der medizinischen Pflege klingt zunächst vielleicht etwas gruselig Doch wenn dadurch die Pflegekräfte Zeit haben auf die individuellen Bedürfnisse der Patienten ein zugehen und auch mal ein aufmunterndes oder tröstendes Gespräch zu führen haben alle gewonnen Patienten und Pflegekräfte Es würde sich in Zukunft also umso mehr lohnen diesen klassischen Beruf zu erlernen weil er attraktiver wird  JUNGE  Soweit sind wir in der Entwicklung von künst licher Intelligenz noch nicht denke ich jedenfalls Es ist aber sicher schon heute wichtig dass man sich auch nach Abschluss einer Ausbildung bewusst ist dass dies nur eine Etappe im lebenslangen Lernen darstellt Die Bereitschaft das Gewohnte in Frage zu stellen offen für Neues zu sein und Veränderung auch als Chance zu begreifen sind für mich die Haltungen die heute schon wichtig morgen jedoch unabdingbar sind  DR KAHLE  Die als besonders wichtig benannten Zukunftskompetenzen haben interessanterweise oftmals die Eigenschaft dass sie besonders menschliche Fähig keiten darstellen also genau die Fähigkeiten die für Maschinen und künstliche Intelligenzen eher schwer zu automatisieren sind Menschliche Emotionen lassen sich vielleicht vortäuschen aber nicht ersetzen  WEILMANN  Das lässt sich pauschal sicher nicht beantworten hier muss man Berufe individuell betrachten Sicher ist dass sich durch neue Anforderungen auch neue Berufsfelder entwickeln werden Ein Arzt zum Beispiel wird durch KI profitieren Die KI wird dem Arzt helfen keine Kon stella tionen zu übersehen und den Blick auf wichtige Aspekte lenken Anderseits braucht es einen Menschen der bei seinem Patienten sitzt seine Lebenssituation versteht und schlussendlich bestimmt welcher Behandlungsplan der Optimale ist Die Rollen werden sich verändern was sie aber immer schon taten Fortschritt gab es schon immer Kinder und Jugendlichen beschäftigen sich heute auch in den Schulen frühzeitig mit Smartphones Tablets Cloud etc Verlernen wir das analoge Lernen  JUNGE  Es gibt Studien darüber dass mit der Hand geschriebene Inhalte besser im Gehirn abgespeichert werden als getippte oder gelesene Inhalte Das analoge Lernen die Auseinandersetzung mit der Realität ist aber unabdingbare Voraus setzung für das Entwickeln des rationalen Denkens ohne dass die Verarbeitung digitaler und virtueller Inhalte gar nicht gelingen kann Ein weitgehender Verzicht auf das Analoge das Reale in der frühkindlichen Bildung wäre gar ein Kardinal fehler Die Diskussion sollte sich also nicht darum drehen ob eine bestimmte Lerntechnik analog oder digital ist sondern wie gut sie ihren Zweck erfüllt  WEILMANN  Ich würde nicht von Verlernen sprechen das Lernen verändert sich einfach so wie es sich immer verändert hat Das ist ein agiler Prozess Früher schrieb man auf Tafeln heute auf Whiteboards und demnächst auf Touchscreens Aus meiner Sicht bietet die Digitalisie rung hier großartige Möglichkeiten den Lernprozess zu unterstützen STADTGLANZ DEZEMBER 19  WIRTSCHAFT  DAS SOFA 31

Vorschau Stadtglanz Dezember 2019 Seite 31
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