Der Mittelstand. 1|2014 Seite 55

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Inhalt

Schleppende Zahlungen und zuneh mende Rückstände in mehrfachen Mahnstufen so erging es einem auf Ingenieurleistungen spezialisierten Unternehmen welches nebenbei ein Handelsgeschäft für technische Geräte betrieb Eine drohende Insolvenz konnte nur mühsam unter Auflösung von Kapi talrücklagen des Inhabers abgewendet werden Die für ihre fachliche Kompetenz aner kannte inhabergeführte Firma wies im Hauptgeschäft größtenteils eine ordent liche Auftragslage und Rentabilität vor Dennoch befand sich der Mittelständler seit Jahren in einer Liquiditätskrise Über Jahre hinweg wuchs das Lager durch wahllose Einkäufe die nicht im gleichen Tempo abverkauft wurden In venturen wurden nicht durchgeführt und der Warenbestand willkürlich vom Steu erberater geschätzt Nahezu 75 Prozent der Aufträge wurden durch einen Kun den erzielt was Umsatzschwankungen zur Folge hatte Es herrschte mangelnde Transparenz bezüglich Kundenforderun gen und Zahlungsverbindlichkeiten Die Finanzierung bestand aus einer alten stets am Limit stehenden Kontokorrent linie die hohe Zinskosten verursachte Die Mitarbeiter teils aus dem persönli chen Umfeld des Unternehmers waren engagiert aber kaum geführt Dennoch wurde das Geschäft immer wieder in kurzfristigen Etappen aufrecht gehal ten Der Unternehmer hatte sich zum Überlebenskünstler entwickelt Das Fallbeispiel ist real Gerade im Mit telstand lassen sich häufig die Verhal tensweisen eines Überlebenskünstlers siehe Grafik antreffen Intuitiv werden richtige Maßnahmen gesetzt jedoch verhindern oft bestehende Illusionen alte Verhaltensweisen und ein fehlender systematischer Ansatz den notwendigen Wandel Mit zunehmender Zeit steigt die Gefahr eines Abrutschens in die Insol venz Unternehmer die auf dem Weg zum Über lebenskünstler sind und solche die es bereits sind können mit der Denkweise des strategischen Sanierers ihren Kurs grundlegend ändern In den drei Phasen der Unternehmenssanierung Erkennen Einge stehen Planen und Umsetzen handelt der strategische Sanierer zielorientiert struk turiert und steht Ratschlägen anderer offen gegenüber In unserem Beispiel musste zunächst die Angst vor den Folgen der Desillusion über wunden werden Durch die angenommene Hilfe konnten die Probleme identifiziert eine Liquiditätsübersicht eingeführt und Trans parenz über den Lagerbestand hergestellt werden Basierend auf der Bestandsaufnahme las sen sich in der zweiten Phase gemeinsam Ziele planen und Maßnahmen ableiten Unternehmensexterne können fehlende betriebswirtschaftliche Kompetenz aus gleichen Mitarbeiter tragen Ideen aus den Fachbereichen zusammen und entwickeln frühzeitig Eigenverantwortung für die not wendigen Schritte Die erforderlichen Maß nahmen im Fallbeispiel waren offensichtlich Stopp des Kaufs weiterer Handelswaren und Fokussierung des Kerngeschäfts sys tematischer Abverkauf des Lagerbestands zur Liquiditätsbeschaffung Sicherung der Fremdmittel und Etablierung eines regelmä ßigen Berichts und Mahnwesens Für eine effiziente Umsetzung in der dritten Phase sind Zeitpläne und Verantwortlich keiten die Grundlage Ebenso ist die Kom munikation mit Gläubigern zur Wiederher stellung verlorenen Vertrauens essentiell Eine systematische Fortschrittskontrolle und Mitarbeiterfeedback sind unerlässlich Durchsetzungsfähigkeit ist insbesondere bei der Umsetzung unangenehmer Maß nahmen wie Personalabbau notwendig In unserem Beispiel konnte eine Veränderung der alten Verhaltensweisen bewirkt wer den womit sich erste Erfolge einstellten Das Kerngeschäft konnte neue Aufträge gewinnen ein Großteil des Lagerbestands wurde abverkauft die Kontokorrentlinie wurde in einen Darlehensvertrag umge wandelt offene Posten der größten Gläu biger wurden abbezahlt und die Rückstände in Mahnstufen zurückgeführt Mit zunehmend ruhigerem Fahrwasser be steht die Gefahr in alte Verhaltensmuster zurückzufallen Der Sanierungsprozess ist aber erst dann beendet wenn das Geschäft weiterentwickelt wurde und sich neue Ab läufe und Denkweisen grundlegend etab liert haben Philipp Grothe Unternehmensberater Dr Michael Albertz Sanierungsexperte SERVICE 55Der Mittelstand 1 2014


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