Wagner wünschte sich echte Kerle für seine Tenorpartien Mit Schnäuzer Hund und Hut ließ Josef Tichatschek Urbild aller Wagner Tenöre auf dem Bild für seine Carte de Visite keine Zweifel aufkommen DER AUTOR Thomas Seedorf ist Professor für Musikwissenschaft an der Hochschule für Musik Karlsruhe Im Zentrum seiner Arbeit stehen die Aufführungspraxis und die Interpretations geschichte von Musik insbesondere die Theorie Ästhetik und Geschichte des Kunstgesangs Thomas Seedorf ist u a Erster Vorsitzender der Internationalen Schubert Gesellschaft und Mitherausgeber der Reger Werk ausgabe Er schreibt regelmäßig für die Zeitschrift Opernwelt Höhe steigt und neben heldischem Glanz auch lyri sche Emphase verlangt verläuft die Siegmund Partie über weite Strecken in ungewöhnlich tiefer Lage bis sie spektakulär zum Spitzenton auf Wälsungen blut aufsteigt Für Walther von Stolzing ist teno rales Durchhaltevermögen gefragt um nach rund vier Stunden noch das Preislied erstrahlen zu lassen Jonas Kaufmann der Vielseitige findet für jede Rolle den richtigen Zugang ein Rollendebüt als Siegmund in der Walküre gab Jonas Kaufmann 2011 an der Met Die ganze Welt schaute zu als eine der Vorstellungen in Kinos rund um den Globus live übertragen wurde In St Peters burg nahm er mit Valery Gergiev eine CD der Wal küre auf begleitet von konzertanten Aufführungen In Westeuropa war Jonas Kaufmann bisher noch nie in der Walküre zu hören weder auf der Bühne noch auf dem Podium Das ändert sich erst jetzt bei den Sommerfestspielen 2016 in Baden Baden Dass nach langen Strecken in der Baritonlage immer wieder hoch liegende Phrasen kommen darin so Kaufmann in einem Gespräch mit seinem Biogra phen Thomas Voigt liegt die besondere Schwierig keit der Siegmund Partie Und der erste Akt hat es wirklich in sich Es braucht viel Energie um über die Erzählungen im Rezitativ Stil bis zum Duett mit Sieglinde die Spannung zu halten Es war die 2013 veröffentlichte Gesamtaufnahme der Walküre unter Valery Gergiev in der ich Jonas Kaufmann zum ersten Mal in einer kompletten Wagner Rolle hörte Für mich war und ist es ungeheuer faszinierend zu erleben wie sich der Sänger als Sieg mund ohne stimmlich klanglichen Identitätsverlust vom Bariton der noch in tiefen Lagen rund und intensiv klingt zum strahlen den Tenor entwickelt Die Wälse Rufe singt er mit einer Inten sität die an ganz große Vorbilder wie Lauritz Melchior erinnert im Duett mit Sieglinde am Ende des ersten Akts entfaltet er sinn liche Kraft und heroischen Glanz wie es heute wohl kein ande rer Sänger vermag Zu den berührendsten Momenten zählt die Todesverkündigung Jonas Kaufmann singt die weiten Melodie linien im Dialog mit Brünnhilde als großen Bogen von geradezu erschütternder Schönheit ein Modell modernen Wagner Gesangs Und zugleich eine Rückbesinnung auf dessen Anfänge Urbild der meisten Wagner schen Tenorpartien war Joseph Tichatschek Der besondere Tenorklang Tichatscheks bekannte Wagner 1864 blieb mir für alle Zeiten maßgebend und mag wohl dazu beigetragen haben daß ich was ich später öfters bereute die führenden Partien in meinen Werken für diese Stimmgattung ge schrieben habe Im Vergleich zu Tichatschek erschienen Wagner die meisten anderen Tenöre seiner Zeit nicht anders als unmänn lich weichlich und vollkommen energielos ja sogar als Eunuchen Wagner aber wünschte sich Heldendarsteller die wie Helden klingen strahlend intensiv maskulin Als Schüler des Tenors Giuseppe Ciccimarra der viele Jahre intensiv mit Gioachino Rossini zu sammengearbeitet hatte war Tichatschek nach den Prinzipien des italienischen Belcanto ausge 34 Jo n a s K a u fm a n n FO T O B P K

Vorschau Festspielhaus Magazin 2016 II Seite 34
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