RS 4/2014 öffentlich Seite 9

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Inhalt

Hämatologie und Onkologie 4 2014 17 spitzten sich um 1930 die Debatten um eine Zentralisierung der Krebsbehandlung zu In dessen Verlauf kämpften insbeson dere die Chirurgen mit harten Bandagen Sauerbruch selbst sprach von einem Krieg und prognostizierte 1931 Es wird noch langer Arbeitszeit bedürfen bis zwischen den operativen Fächern und der Strahlen therapie sich aus dem Grenzkrieg ein fried liches Grenzgebiet herausbildet Bevor eine gesamtdeutsche Regelung ge troffen war kam der zerstörerische Ein bruch des Nationalsozialismus der die Mehrzahl der deutschen Krebstherapeu ten besonders in den Zentren Berlin Hei delberg und Frankfurt außer Landes jagte Das Berliner Krebsinstitut wurde der chirur gischen Klinik unter Sauerbruch einverleibt und verschwand auf dessen Betreiben 1945 von der Bildfläche Diese Ereignisse präg ten das Erscheinungsbild der Krebsversor gung in Deutschland bis heute Im Unter schied etwa zu Schweden und Frankreich präsentiert sie sich breit diversifiziert und allzu oft blieb die Krebsbehandlung bis in jüngste Zeit dem Zufall der Einweisung und der Kompetenz des Erstbehandelnden überlassen Durch das Aufblühen der Me dizinischen Onkologie Chemotherapie in den siebziger Jahren wiederholte und verstärkte sich der Struggle for the Can cer Patient wer behält die diagnostische und therapeutische Deutungshoheit etwa über das Prostata oder Mammakarzinom Wer initiiert und betreibt die translationale Grundlagenforschung Wer überblickt die neuesten Entwicklungen Wer ist mit den Nebenwirkungen am besten vertraut Wer ist für die supportive und palliative Thera pie prädestiniert Die Zukunft liegt ohne jeden Zweifel in der interdisziplinären Zusammenarbeit wie Blumenthal in seinem letzten 1934 im Ausland gedruckten Buch quasi als Ver mächtnis festhielt Chirurg und Strahlen therapeut der Spezialarzt der praktische Arzt und der Krebsforscher müssen auf dem Krebsgebiet zusammenwirken Niemand soll hier Vorherrschaft haben Ihm schweb te schon damals ein weitgestreutes Netz von Tumorzentren vor Wenn ich also einer Zentralisierung der Krebsbehandlung das Wort rede so wünsche ich dahin nicht miss verstanden zu werden dass die Zentralisie rung etwa eine Monopolisierung bedeutet Ich stehe durchaus auf dem Standpunkt von Rosselet dass sich der sogenannte Centre anticancéreux um die Universitäten gruppieren soll Wenn sich die einzelnen Kliniken und Institute und die entsprechen den Abteilungen in den Krankenhäusern zu sammentun ihre Einrichtungen zur Krebs diagnostik und Therapie ergänzen und die Zusammenarbeit in freundschaftlicher Wei se organisieren so wird der Krebskranke leicht alles finden was für ihn nötig ist Am besten ist es natürlich Krebsinstitute für Krebskranke zu errichten Rosselet hat auch betotnt wie sehr bei solcher Zusammenar beit es auf den Geist ankommen muss der dort herscht Wir können nicht ich glaube er hat den Ausdruck geprägt den Imperia lismus einer Disziplin gebrauchen Die naheliegendste Antwort auf die Frage wer denn nun einen Krebs therapieren soll sei es in einem Krebsinstitut einem Tumor zentrum CCC oder in einer onkologischen Praxis ist damals wie heute Derjenige der es am besten kann Bedauerlicherwei se ist um den Nachweis dieses Könnens in den letzten Jahren ein bisweilen be denklicher Wettstreit entstanden in Gestalt von verschiedenen Zertifizierungen die nicht selten miteinander konkurrieren Auch hier bewahrheitet sich das Resümee von Blumenthal mit dem er gleichsam das Memorandum von 1914 noch einmal bestätigte Die Rivalitäten der Ärzte un tereinander sind oft das größte Hemmnis für die zweckmäßigste Organisation Es ist eben alles nur eine Frage des guten Willens zur Zusammenarbeit Alle Blumenthal Zitate aus dem Buch Ergebnisse der experimentellen Krebsforschung und Krebstherapie Leiden 1934 Kapitel 20 S 159 172 Weitergehende Angaben in dem Buch Erinnerungsort Krebsbaracke Abb 4 Struggle for the Cancer Patient Titel einer Studie des niederländischen Medizinhistorikers Ton van Helvoort in der Zeitschrift Medical History 45 2001 Abb 2 Ferdinand Blumenthal 1870 1941 Direktor des Krebsinstituts an der Charité bis 1933 Foto Landesarchiv Berlin Abb 3 Kontrahent Ferdinand Sauerbruch 1875 1951


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