RS 4/2014 öffentlich Seite 8

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Hämatologie und Onkologie 4 2014 16 PETER VOSWINCKEL Bei den Archivstudien zur Geschichte der Krebsforschung siehe S 16 stießen wir im Universitätsarchiv der Humboldt Uni versität auf ein denkwürdiges Dokument siehe unten Abbildung 1 In einem hand geschriebenen vielfach korrigierten Me morandum vom 21 Mai 1914 zur zu künftigen Gestaltung des Krebsinstituts der königlichen Charité erwog der dama lige Verwaltungsdirektor Ernst Pütter die Chancen und Möglichkeiten durch Bün delung der vorhandenen Kräfte die Effizi enz der Krebsbehandlung zu erhöhen Ak tueller Anlass war der hohe Kostenbedarf für Röntgengeräte und strahlenmedizini sches Material Radium Mesothorium mit dem sich die verschiedenen Kliniken nach und nach aus und aufrüsteten Auch die damalige Chemotherapie ins besondere die Herstellung und Erprobung von schwermetallhaltigen Therapeutika und von Immunseren war kostspielig und Wer versorgt die Krebskranken Rivalität der Ärzte anno 1914 1934 2014 verlangte eine strukturelle Neuordnung Wie könnte durch eine Zentralisierung das wissenschaftliche Output vermehrt und die interdisziplinäre Zusammenarbeit verbessert werden Konkret gesprochen Welche Rolle kann neben Chirurgen Gynäkologen HNO Ärzten Dermatolo gen und Urologen eine spezielle Krebs behandlungsstätte spielen In diesen Überlegungen ist ganz offensichtlich das heutige Modell des interdisziplinären Tu morzentrums vorgezeichnet wie es etwa 1924 in Gestalt des Centre anticancéreux in Lausanne Dr Rosselet realisiert wur de Im Deutschen Reich lagen die Dinge anders einmal durch die überaus starke Machtposition der chirurgischen und gy näkologischen Ordinarien zum anderen durch die schlichte Tatsache dass die experimentelle und internistische Krebs forschung in Deutschland sich im Wesent lichen aus jüdischen Ärzten rekrutierte und von Anfang an einen schweren Stand hatte Die früheste Einrichtung dieser Art war das 1903 eröffnete Krebsinstitut an der Charité das erstmals Experimentalforschung Kran kenbehandlung und Palliativmedizin unter einem Dach vereinte Laboratoriumsbara cke Männer und Frauenbaracke mit je 10 Betten Nach einer Gründungs und Kon solidierungsphase führte dessen Direktor Prof Ferdinand Blumenthal das räumlich schnell anwachsende Institut das ab 1916 auch über eine strahlentherapeutische Abteilung verfügte in den zwanziger Jah ren zu weltweitem Bekanntheitsgrad Auf den internationalen Krebskongressen zwi schen 1926 und 1938 figurierte Blumenthal als Repräsentant der deutschen Krebsfor schung Blumenthal war diplomatisch ge nug um von Anfang an die Absprache mit seinen operativ tätigen Kollegen zu suchen und nur solche Patienten aufzunehmen die als inoperabel galten Da er aber immer öfter die Erfahrung machen musste dass die Strahlentherapie von unzureichend ausgebildeten Ärzten betrieben wurde Umschrift Zur Zeit wacht jeder Kliniker eifersüch tig darüber daß ihm kein Krebsfall aus seinem speziellen Gebiete verloren geht weil er das Bestreben hat ihn wenn auch mit unzureichenden Mitteln weiterzubehandeln Jeder sucht diese meist sehr kostspieligen Mittel mög lichst zu vervollständigen obwohl es völlig ungewiss ist ob die Mittel und die dazu nötigen Apparate nicht in kür zester Frist durch andere verdrängt und wertlos werden Durch die Zentralisierung werden alle Neuerungen für die verschiedenen Be handlungsarten des Krebses sofort al len bekannt und können entsprechend verwertet werden Anschaffungen von Apparaten und Mitteln sind nur einmal statt 12mal zu machen Abb 1 Zentraler Absatz aus dem Memorandum des Charité Verwaltungsdirektors Ernst Pütter 1914


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