56 BISp Jahrbuch Forschungsförderung 2020 21 Entwicklung und Evaluation einer kognitiv motorischen Testbatterie 4 Diskussion und Praxis transfer Das erklärte Projektziel war es erstmals ein Testsetting zu entwickeln und testtheoretisch zu evaluieren mit dem es möglich ist unter pra xisnahen Laborbedingungen Dicks et al 2010 Morris Binelli Müller 2017 Roca et al 2011 sowohl kognitiv informatorische Leistungspa rameter als auch deren handlungspraktische Konsequenzen motorische Handlung einer gezielten Diagnostik zugänglich zu machen Bei genauerer Betrachtung unseres Messystems und der erhobenen Daten ist augenfällig dass aufgrund der Komplexität und Spezifität der präsentierten Videosequenzen die Antwortak tionen in einem deutlich komplexeren Setting mit mehr Interpretationsspielraum der Testper son realisiert werden mussten Die Praxisnähe des Versuchsaufbaus sowie die ergebnisoffene multikategorial statt binär Provokation des Antwortverhaltens wirken sich maßgeblich auf die Reliabilität der Verteidigerentscheidungen Κ Werte aus Sie sind tendenziell zwar etwas geringer als die publizierten Reliabilitätswerte vgl Loffing et al 2015 im Licht der Vielschich tigkeit des Versuchsaufbaus dennoch als zufrie denstellend anzusehen Die höchsten Κ Werte sind bei den frühesten und spätesten Okklusi onszeitpunkten der Angriffsaktionen zu ver zeichnen was darauf hindeutet dass in den früh okkludierten Videoclips zu wenige kinemati sche Hinweise durch den präsentierten Angrei fer gegeben und damit adäquate Abwehraktio nen erschwert wurden Wenig Informationen zu Beginn eines Angriffs scheinen bestimmte Verteidigerhandlungen wie bspw Seitwärtsbe wegungen innerhalb des Entscheidungsprozes ses eher auszuschließen Vergleichsweise nied rigere Κ Werte im weiteren Verlauf des Angriffs t5 t3 lassen vermuten dass die Anzahl der kinematischen Informationen in den Bewe gungen des Angreifers anstieg und die Entschei dungsfindung erschwerte Ratcliff et al 2016 Hier scheint sich der Entscheidungsprozess von eher intuitiv hin zu eher deliberativ verlagert zu haben Wir vermuten dass diese Okklusionszeit punkte insbesondere für perzeptuell kognitive Fähigkeiten die auf einer antizipativen Infor mationsaufnahme basieren entscheidend sind Derzeit existieren nur sehr wenige experimen telle Studien Ashford et al 2021 welche sich mit kognitiven Prozessen im Kontext des Sport spiels auseinandersetzen und dabei den Einfluss unterschiedlicher Leistungsniveaustufen auf die diagnostizierten Leistungsparameter untersu chen Mann et al 2007 Scharfen Memmert 2019 Unsere Experten Amateur Ergebnisse deuten darauf hin dass Hochleistungssportler schon anhand des Anlaufs recht früh erkennen können wie viel Druck und damit mit welcher Intention der Angreifer auf das zu verteidigende Tor zuläuft Bei der Aktion Durchbruch zeigen Hochleistungsspieler ein früheres Heraustreten aktives antizipativ offensives Abwehrverhal ten Kromer 2015 bei Okklusionszeitpunkt t3 als Amateursportler Basierend auf dem wahrgenommenen kinematischen Verlauf der Täuschungs Bewegung entschließen sich die Hochleitungssportler generell eher diese durch frühes Heraustreten zu unterbinden als sich zu einem späteren Zeitpunkt in eine lediglich reak tive Abwehraktion verwickeln zu lassen Das hier beschriebene systematische Verhalten spie gelt die gängige Lehrmeinung des DHB Rah mentrainingskonzeption RTK 2009 sowie die der im Rahmen unserer Studie befragten Exper ten wieder Interessanterweise scheinen Exper tiseeffekte bezogen auf die in der Videosequenz präsentierte Händigkeit der Angreifer Loffing et al 2015 Loffing Hagemann 2014 auch auf unsere Daten zuzutreffen Das hier vorgeschlagene experimentelle Vorge hen ist unseres Erachtens in vielerlei Hinsicht praktisch nutzbar Neben der rein leistungsdia gnostikorientierten Nutzung des Testinventars bspw im Kontext der Talentsichtung bei Neu verpflichtungen von Spielern bzw Spielerinnen im professionalisierten Nachwuchs und oder Profibereich oder zur originären Trainings Prozessdiagnostik bietet sich aus fachwissen schaftlicher Sicht das Feld der Trainings Inter ventionsstudien an Das Setting sollte hier in Abhängigkeit der intendierten Zielstellung und nach entsprechenden Modifikationen der prä sentierten Videosequenzen gut geeignet sein um Trainingseffekte in Bezug auf definierte wettspielspezifische Zielvariablen systematisch nachzuweisen

Vorschau BISp-Jahrbuch 2020/21 Seite 58
Hinweis: Dies ist eine maschinenlesbare No-Flash Ansicht.
Klicken Sie hier um zur Online-Version zu gelangen.