Der Mittelstand. 4|2013 Seite 68

Hinweis: Dies ist eine maschinenlesbare No-Flash Ansicht.
Klicken Sie hier um zur Online-Version zu gelangen.

Inhalt

Die BVMW IBWF Rechts hotline erreichen Sie Mo und Mi 10 00 15 00 Uhr Do 10 00 17 00 Uhr Tel 030 533206 63 Fax 030 533206 50 rechtshotline bvmw de Fo to A am on Fo to lia c om Dr Benjamin Weiler Rechtsanwalt Mitglied im IBWF www zl legal de Bei öffentlichen Ausschreibungen verfol gen Auftraggeber wie Auftragnehmer un terschiedliche wirtschaftliche Interessen Das Oberlandesgericht OLG München legte nun fest dass es nicht automatisch eine unlautere Verhaltensweise ist Feh ler im Leistungsverzeichnis zum eigenen wirtschaftlichen Vorteil zu nutzen Ein öffentlicher Auftraggeber AG hatte Brückenbauarbeiten europaweit im Offe nen Verfahren ausgeschrieben Bieter A lag mit seinem Angebot von etwa einer Million Euro an erster Stelle In zwei Po sitionen im Leistungsverzeichnis für Be ton und Spannstahl hatte er sehr niedrige Einheitspreise angegeben Zur Begründung erklärte der Bieter er habe mit diesen Positionen positionsbezogene Nachlässe eingeräumt Subventionsabschläge Die Überprüfung der Mengenvordersät ze durch den AG ergab dass nur 18 statt 35 Tonnen Betonstahl und nur 17 statt 25 Tonnen Spannstahl hätten ausgeschrieben werden sollen Der AG berechnete anhand eines mittleren Preisniveaus für Beton und Spannstahl die beiden Positionen für das Angebot des A neu und kam so auf einen Mehrpreis für das Gesamtangebot von 44 000 Euro wonach das Angebot die ses Bieters nicht mehr an erster Stelle lag Daraufhin hob der AG die Ausschreibung mit der Begründung auf die Bieter hätten Anspruch auf Aufhebung wegen möglicher Wettbewerbsverzerrungen Nach Rüge be antragte A bei der Vergabekammer die Auf hebung der Aufhebung da die preislichen Auswirkungen der angeblich überhöhten Mengensätze absolut marginal seien Nach Zurückweisung des Antrags legte er sofor tige Beschwerde beim OLG ein Das OLG gab mit Beschluss vom 4 April 2013 dem Bieter A Recht Es liege hier kein Grund zur Aufhebung der Ausschreibung vor In Anbetracht des gesamten Volumens des Auftrags in Höhe von einer Million Euro sei die vom AG aufgrund angenommener Mittelpreise errechnete Preisdifferenz von 44 000 Euro von so untergeordneter Bedeu tung dass sie keinesfalls zu einer Aufhe bung der Ausschreibung zwinge Auch das Argument des AG durch das Verhalten des A sei eine Wettbewerbsverzerrung einge treten die eine Fortsetzung der Ausschrei bung unmöglich mache sei unzutreffend Hier wäre eine Korrektur der jetzt vom AG als unzutreffend angesehenen Mengenvor dersätze durch die Übersendung entspre chend korrigierter Leistungsverzeichnisse an die bisherigen Bieter ohne weiteres möglich gewesen Eine Wettbewerbsver zerrung trete nicht ein da nach einer Kor rektur alle bisherigen Bieter ihr Angebot hätten neu kalkulieren können A dürfe auch nicht wegen Unzuverlässigkeit mit dem Argument ausgeschlossen wer den dass er durch das Angebot der niedri gen Einheitspreise eine wettbewerbsver zerrende oder unlautere Verhaltensweise an den Tag gelegt habe Das Gericht betont dass die Kalkulation ureigenste Aufgabe des Bieters sei es obliege seiner Entschei dungsfreiheit wie hoch er bei einzelnen Positionen seinen Gewinn kalkuliere und ob er nicht auch bei korrekten Mengensät zen einen Subventionsabschlag vor nehmen wolle In der Ausnutzung von Fehlern im Leistungsverzeichnis LV liege nicht generell eine unlautere Verhaltensweise Es bestehe für den Bieter nach den Bewer bungsbedingungen keine Hinweispflicht auf Mängel des LV Eine Hinweispflicht ergebe sich nur bei Unklarheiten Das LV sei aber nicht unklar gewesen da es eindeutig die Mengenvordersätze enthalte Auch eine darüber hinausgehende Hinweispflicht des Bieters auf eventuell überhöhte Vordersät ze habe nicht bestanden Die Entscheidung ist deshalb von besonde rem Interesse da sie eindeutig feststellt dass den Bieter keineswegs eine generelle Hinweispflicht auf Mängel des Leistungs verzeichnisses trifft Ein Anhaltspunkt für ein sittenwidriges Verhalten durch Ausnut zen des erkannten Fehlers war in diesem Fall nicht ersichtlich Bieter darf Fehler nutzen Wichtiger OLG Beschluss zum Vergaberecht SERVICE 68 Der Mittelstand 4 2013


Vorschau Der Mittelstand. 4|2013 Seite 68