6Wenn eine Zeichnerin ihre Reiseeindrücke zeichnerisch festhalten möchte muss sie weder eine schwere Kameraausrüstung noch einen Fotoapparat noch ein Aufnahmegerät einpacken sondern nur Zeichenwerkzeuge und Papier Diese Armut der Produktionsmittel macht aus der Zeichnung ein Medium das besonders gerne reist und das gleichzeitig quasi prädestiniert ist die Dinge von unten zu betrachten mit den Füßen auf der Straße auf Augenhöhe der Menschen als teilnehmender Beobachter Schon zwischen den zwei großen Kriegen des 20 Jahrhunderts reiste der in Buenos Aires geborene französische Zeichner Chas Laborde nach Moskau London New York Berlin und Bonn und fasste das dort Gesehene in Zeichnungen die gleichzeitig dokumentierten und kommentierten In den 50er Jahren ging der elsässische Zeichner Tomi Ungerer nach New York und produzierte ähnlich treffende Bilder In den neunziger Jahren des 20 Jahrhunderts entwickelte sich die Comic Reportage durch die Arbeit von Autoren wie Joe Sacco und Guy Delisle zu einem fest etablierten Genre Anknüpfend an diese Tradition initiierte das Goethe Institut das Projekt Comic Transfer Zwischen Mai 2012 und Oktober 2014 lud es Zeichnerinnen und Zeichner dazu ein insgesamt zwölf Städte in Italien Spanien Frankreich Belgien Portugal dem Libanon Marokko und Deutschland zu besuchen und ihre Erfahrungen in Form von Comics und Zeichnungen zu Papier zu bringen Diese wurden auf einem Blog gepostet und daraus entstand 2015 eine Ausstellung und dieses eBook Einige der Künstler wie Nicolas Wild und Reinhard Kleist hatten bereits Reise Erzählungen veröffentlicht während es für andere das erste Mal war dass sie ihre Eindrücke einer fremden Stadt in Comics dokumentierten Die Künstler haben sich ihren Städten mit Hilfe ganz verschiedener Methoden genähert so ist ihnen allen zwar das Medium Comic als Ausdrucksmittel gemein doch die Ergebnisse ihrer Arbeit könnten unterschiedlicher nicht sein Aisha Franz lässt sich gerne im Alltag treiben oder von einheimischen Autoren die Stadt zeigen Gabriella Giandelli besucht in jeder von ihr bereisten Stadt die gleichen Orte Aquarien Andrea Brunos Zeichnungen beleben etwas wieder worauf die Stadt nur in Form einer Spur oder einer Leerstelle verweist wie das Porträt eines Jungen der 1902 verstorben ist Zeina Abirached gelingt es einerseits das Unbekannte und Mysteriöse einer neuen Sprache einfühlsam in Bilder zu fassen und andererseits erstaunliche Parallelen zwischen Berlin und Beirut zu entdecken wie die Überschrift ihrer Bilderserie bezeugt Wenn man genau hinschaut gibt es fast keine Grenzen zwischen Berlin und Beirut Die insgesamt über zwanzig Autorinnen und Autoren darunter auch zwei Kollektive die ein gemeinsames Fanzine herausgegeben haben zeichnen so ein sehr facettenreiches Bild der von ihnen bereisten Städte Und wenn man genau hinschaut um Zeina Abiracheds Formulierung wieder aufzunehmen erfährt man beim Lesen und Betrachten nicht nur etwas über die Städte sondern auch über die Augen und die Hände die sie gesehen und gezeichnet haben Volker Zimmermann VorWort

Vorschau ebook Comic Transfer Seite 6
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