Weltrekordfahrt Essay 73 03 2015 nicht auf den Zug auf und verbündeten sich anderweitig Die Fabrik in Kamenz wird zum Jahresende dichtgemacht Doch bis dahin will Musk schon Europa erobert haben Seine Trup pen stehen in schickem Weiß und Rot in Reih und Glied Und sie werden immer zahlreicher Seit Ende 2013 stellt Tesla für seine Kundschaft eigene Ladestationen auf Mit den bis zu 150 Kilowattstunden starken Super chargern Bis zu 75 000 Euro pro Ladestation lässt sich Musk die Erschaffung einer eigenen Strominfrastruktur kosten 150 Supercharger stehen bereits in West und Zentraleuropa und Skandinavien Bis zum Jahresen de sollen auch Spanien oder Finnland angeschlossen werden In Deutschland sind bisher knapp 40 Stationen mit rund 200 Ladesäulen in Betrieb Mit ihnen lassen sich in einer halben Stunde rund 250 Kilometer Reichweite tanken Galten bisher neben der geringen Reichweite vor allem die endlosen Lade zeiten als größtes Hindernis für das Elektroauto bietet das Su perchargernetz jetzt erstmals eine Option auch größere Stre cken in annehmbaren Zeiten zu absolvieren Genau darin lag der Reiz für die Idee von Michael Willberg Er meldete im Januar beim Guinness Buch der Rekorde einen offiziellen Weltrekordversuch für die schnellste Durchquerung Europas mit einem Elektroauto an Die Idee ist an sich nicht be sonders anspruchsvoll bei Ankunft an dem Ziel Nordkap wäre die Bestmarke automatisch erreicht denn bisher existierte kei ne solche Aber die Hüter des Buchs der kuriosen Bestmarken setzen trotz britischem Humor eher teutonisch strenge Maßstä be an bevor ein Eintrag ins berühmte Buch winkt Sie legten fest dass die Rekordfahrer auf der Tour von der Südspitze Spa niens zum Nordzipfel Norwegens maximal 22 Stunden lang am Kabel hängen durften Willberg machte sich an einen Schlacht plan wie sich die Ladezeiten möglichst kurz halten ließen Den meisten Erfolg versprach eine Strategie die zahlreiche Ladepunkte aber kurze Standzeiten versprach Nur in Spanien und im hohen Norden waren mangels Schnelllader einige lan ge Etappen eingeplant die längste führte mit 477 Kilometern von Málaga nach Alicante Der Bordcomputer zeigt grafisch jederzeit an mit wie viel Prozent die Batterie in Relation zur noch zu bewältigenden Fahrstrecke im Plus oder Minus ist Zu weilen lag die Kalkulation bei Fahrtantritt bis zu 16 Prozent im Minus dann lag die Reisegeschwindigkeit nur zwischen 60 und 80 Kilometern pro Stunde Wenn nur kurze Etappen eingeplant waren wie in Niedersachsen durfte der Tacho in den Kasseler Bergen durchaus auch zwischen 150 und 160 km h anzeigen Auf den Landstraßen Skandinaviens wurde gemäß den Regeln der Guinness Buch Wächter strikt nach Tempolimit zwischen 80 und 110 km h gefahren Tesla Fahrer reisen wie Motorradfahrer bei denen meist nach rund 200 Kilometern der Tank leer und das Sitzfleisch aufgebraucht ist Im Schnitt lag beim Rekordversuch die Ent fernung der Ladepunkte bei knapp 230 Kilometern An den Haltepunkten gab es Zeit um die Glieder zu strecken Kaffee zu fassen oder der Tabaksucht zu frönen Drei Fahrer lösten sich in den vier Teslas am Steuer ab damit alle zwölf Rekordfah rer auch zum Schlafen kamen denn gehalten wurde nur zum Laden nicht zum Übernachten An den 21 auf dem Weg ange steuerten Superchargern lag die Ladezeit zwischen minimal 18 und maximal 70 Minuten im Durchschnitt waren es 40 Tesla stellt die Ladesäulen meist neben Restaurants oder Hotels auf die sich über erheblich gesteigerte Kundenzahlen freuen Das Lindtner Hotel in Hamburg dient seit der Installation von eini gen Superchargern zahlreichen Norwegern als Haltepunkt auf dem Weg in den Süden Ein Hotelier im schwedischen Sma land sprach trotz eines in Nordeuropa völlig verregneten Julis von einem Rekordsommer Übernachtungen und kulinarische Freuden in schicken Landhotels reißen durchaus Löcher in die Reisekasse dafür aber ist der Strom an allen Ladestationen kostenlos Außer dem was im Magen und in den Kassen von Mautstationen landete hatten die Rekordfahrer keine Kosten Elon Musk offeriert auch Besitzern von Fremdfabrikaten scheinbar großzügig freien Strom aber das Angebot ist eher theoretisch denn viele Hersteller geben die Supercharger für ihre Modelle nicht frei der Kunde lädt damit auf eigene Gefahr Abgesehen davon dass es in der Elektromobilität auch um das Abstecken und Schützen von Revieren geht ist der Erfolg auch eine Frage des Glaubens Bisher konnten sich weder Industrie noch Politik auf ein einheitliches Ladesystem einigen Längst etabliert hat sich das aus Japan kommende System Chade mo Charge for moving auf das beispielsweise Renault und Nissan setzen Die deutschen Hersteller Daimler BMW und Volkswagen favorisieren dagegen das CCS System Combined Charging System das sowohl für Gleich als auch Wechsel strom geeignet ist Aber wie bei Chademo liegt die maximale Leistung bei bescheidenen 50 Kilowattstunden womit schnel les Laden ein ferner Traum bleibt Die vorsichtigen Deutschen versprechen für die Zukunft auch bis zu 100 kWh halten mehr Leistung pro Zeit aber mit den von Tesla verwendeten Verbin dungen für bedenklich sie prognostizieren schmorende Kabel und vor allem Stecker Tesla verwendet bei den Superchargern vom Unternehmen Menneckes entwickelte Typ 2 Stecker die an vielen gewöhnlichen Ladestationen mit nur 22 Kilowatt stunden zum Einsatz kommen Tesla Gegner halten die mit bis zu 150 kWh belasteten Stecker für ein Sicherheitsrisiko Die Kalifornier kontern dass ihnen noch keine Station abgebrannt sei und verweisen auf ein cleveres Lademanagement das Leis tungs und Temperaturspitzen vermeidet Während der Streit um den richtigen Weg andauert versucht Elon Musk Tatsa chen zu schaffen Schon als die Rekordfahrer Anfang August in Tarifa aufbrachen war ihnen klar dass mit dem Ausbau der Superchargerdichte auch die Chancen steigen vielleicht schon im kommenden Jahr unterboten zu werden Aber genau das wäre Wasser auf die Mühlen der Vorreiter des fast lautlosen Fahrens Nach rund 6400 Kilometern 104 Stunden Gesamtzeit und 20 15 Stunden Ladezeit erreichte der Erste der vier Mo del S das Nordkap Wir haben bewiesen dass Elektromobilität auch auf langen Strecken funktioniert sprach Initiator Will berg stolz Den Beweis trat sein Team auch nach dem erfolg reichen Rekordversuch in vier Tagen an Schließlich mussten ja alle wieder nach Hause über weitere 4000 Kilometer Autor Markus Stier

Vorschau carIT 3 2015 Seite 73
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