carIT 01 2013 Seite 64

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64 Essay Rinspeed Der Schriftsteller Frank Schätzing hat in seinem Leben schon einige spannende Romane geschrieben aber kei ner war so eindrucksvoll wie Der Schwarm In der Katastro phengeschichte lässt er Festlandsockel abrutschen und hält den Golfstrom an ausgelöst durch eine außerirdische Zivilisation die dem an seinem Heimatplaneten unaufhaltsam Raubbau treibenden Menschen von ihrer Basis tief unten im Meer ve hement Einhalt gebieten will In Zeiten in denen die globale Erwärmung in aller Munde war traf Schätzing den Nerv und die Vorstellung winziger Wesen die sich zu einem gewaltigen hyperintelligenten Organismus zusammenschließen hinter ließ auch tiefen Eindruck bei Frank Rinderknecht Der Schwei zer verdient sein Geld mit seiner Firma Rinspeed eigentlich als Zulieferer der Autoindustrie macht aber auch in Kunst oder Bootsgestaltung Und traditionell erscheint Rinspeed beim hei mischen Auto Salon in Genf mit großem Aufschlag Seit 1991 bringt Rinderknecht möglichst spektakuläre Konzeptautos zur Frühjahrsmesse egal ob einsitzige Supersportwagen im Look eines Formel 1 aus den Fünfzigern oder einen wasserdichten Roadster mit dem sich auch Tauchgänge machen lassen im Gegensatz zum Lotus Esprit den einst James Bond durch die Tiefen des Meeres lenkte ist der sQuba nicht nur ein Showcar sondern wirklich ein U Boot auf Rädern Und egal ob er mit dem Chopster einen bärenstarken Flachmann vorstellte oder dem eXasis ätherische Transparenz attestierte seine Kreati onen tragen stets den Stempel Weltneuheit kleine Brötchen sollen andere backen Der 57 Jährige sieht sich seit jeher als je mand der seiner Zeit weit voraus ist ihm macht es keine Mühe die Zukunft aus Schätzings Roman zur Gegenwart zu machen Spricht er von Der Schwarm kommt er ins Schwärmen Spä testens seitdem weiß jeder wie intelligent Kollektive sein kön nen weitaus mächtiger als nur die Summe der Einzelwesen Übersetzt in Blech und vier Räder hört dieses Credo auf den Namen Micromax und der Name ist Programm Auf kleinstem Raum soll der Kleinwagen dennoch ein Maximum an Effizienz binden quasi ein Stadtbus sein und nicht weniger als den ur banen Verkehr revolutionieren Pate für die Maße stand der Mini und so ist auch Micromax nur 3 70 Meter lang Groß ist er nur wo unbegrenzt Raum ist nach oben Bei 2 20 Metern Höhe ist nicht nur der Einstieg äußerst bequem auch die Fahrt soll es sein Neben dem Fahrer haben in dem kompakten Vehikel drei Passagiere Platz die sich gebettet auf drei Stehsitze deutlich komfortabler aufgehoben fühlen sollen als auf einer gewöhn lichen Rückbank Die Idee ist die Individualdistanz durch die vertikale Unterbringung zu erhöhen Wem andere nicht zu nahe auf die Pelle rücken der reist mit erheblich geringerem Stressniveau Um die Wohlfühlatmosphäre zu steigern muss in einer modernen Welt in der die Grenzen zwischen Arbeitsplatz und Zuhause immer mehr verschwimmen auch niemand mehr hektisch eine Mail verschicken bevor er das Haus oder das Büro verlässt stattdessen identifiziert Micromax seinen Fahr gast über dessen Mobiltelefon oder den Tablet PC automatisch was nicht nur die Abrechnung der Fahrt extrem vereinfacht sondern auch das nahtlose Weiterarbeiten am Rechner denn Micromax stellt auch Computerarbeitsplätze zur Verfügung Möglich macht dies die NFC Technologie Near Field Commu nication von Autozulieferer Harman Der US Zulieferer stellt auch das Herzstück der Rinspeed Idee den Urban Swarm Dahinter steckt nichts anderes als eine Computer Cloud die zentral alle beteiligten Fahrzeuge deren Auslastung Fahrtziele und Positionen sowie die aktuelle Verkehrssituation auf den betreffenden Routen erfasst Potenzielle Mitfahrer des Carsha ring Clubs geben auf dem 19 Zoll Touchscreen im Auto ledig lich ihr Ziel ein die Koordination erledigt die Schwarmtech nik inklusive Zustiegsmöglichkeiten und Umsteigeoptionen in Echtzeit Schon früh hat sich Rinderknecht neben der Mobilität den Erhalt der Umwelt auf die Fahnen geschrieben egal ob Erdgasantrieb oder Elektroauto Der gelernte Maschinenbauer will die Fortschritte der Autoindustrie in puncto Verbrauchsre duzierung und Emissionen nicht in Abrede stellen aber diese Maßnahmen gehen ihm nicht weit genug Wenn jedes Auto in der Stadt mit zwei statt einem Insassen besetzt wäre hätten wir schlagartig die Hälfte an Verkehr an Ressourcenverbrauch und CO 2 Ausstoß Sind es drei wäre es ein Drittel Der Micromax der insgesamt vier Insassen aufnehmen kann ist nach Rinderknechts Vorstellungen gestaltet die technische Realisation hat sein langjähriger Partner Peter Kägi erledigt den Rinderknecht sein Alter Ego nennt Gefertigt wurde der Micromax unter anderem bei Esoro Der Kleinbus der Taxi und Fahrgemeinschaft verschmelzen soll fährt mit einem rein elek trischen Antrieb den Linde sonst in Gabelstaplern verbaut Der Motor schafft maximal 100 Kilometer pro Stunde Im Stadtver kehr für den er gedacht ist soll die Reichweite bei 100 Kilo metern liegen Rinderknecht schwebt ein Aktionsradius von bis zu einer halben Stunde Fahrtzeit vor nicht zuletzt in Gebieten wo die Straßenbahn aufhört Seine Kreation soll es in vier verschiedenen Varianten geben dabei sind nicht nur zusätz liche Ausstattungsdetails wie einklinkbare Sitzflächen für Geh behinderte oder ältere Leute und ein Bordkühlschrank denk bar sondern auch gewerbliche Nutzfahrzeuge für Handwerker Für den Auto Salon in Genf Anfang März haben die Animati onsspezialisten von RTT eine dreidimensionale Visualisierung der einzelnen Versionen über eine speziell programmierte App vorgesehen Das Highlight auf dem Messestand soll natürlich der Micromax Prototyp sein der nicht nur ein Showcar son dern ein real fahrendes Auto ist mit dem Rinderknecht selbst bereits Anfang Februar für Dreharbeiten eines Promotion Vi deos durch Barcelona fuhr So ein Auto zu bauen ist ja keine Hexerei sagt er lässig Der umtriebige Eidgenosse freut sich schon vor der Messeprä sentation über die große Resonanz Selbst mit China wo we gen eines Rekordsmogs in Peking im Winter erstmals Fahrver bote für private Limousinen verhängt wurden hat man schon Kontakt aufgenommen Solche Sechs Meter Autos in denen nur einer drin sitzt machen doch ökologisch überhaupt keinen Sinn sagt Rinderknecht Dass sich seine Idee durchsetzt da ran hat er nicht den geringsten Zweifel Die entscheidende Fra ge für ihn ist wann die urbane Bevölkerung dazu bereit wäre Erfahrungsgemäß braucht der Mensch immer einen gewissen Leidensdruck bevor er bereit ist sich zu ändern und dazu sind die Benzinpreise im Moment vielleicht noch zu moderat An Rinderknechts Tatendrang jedenfalls soll es nicht scheitern in zwei bis drei Jahren hält er die Idee für umsetzbar Wir heißen ja schließlich Rinspeed und nicht Rinslow sagt er schlagfertig Autor Markus Stier 01 2013


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