der britische Premier Winston Churchill der am 19 September 1946 bei seiner berühmten Rede in Zürich für die Zusammenarbeit Europas plädiert hat Was der bullige und ebenso erfolgreiche Kriegspremier in Europa wirklich angestoßen hat zeigt bei näherer Betrachtung Churchill empfahl den Europäern genauer den Konti nentalen zusammenzustehen und zusammenzugehen ohne Groß britannien Wie Churchill haben die Inselbewohner mit ihrem ehema ligen Weltreich Great Britain seinerzeit zivilisatorische Eigenständig keit eingebracht Sie träumen offenkundig heute noch 70 Jahre später davon Wie vor einer Scheidung wo nicht zuletzt familiär Bundesgenossen aktiviert und mobilisiert werden heißt es jenseits aller Fachfragen Wo liegen die Interessen wo sind die Emotionen beheimatet wer behält kühlen Kopf und was lassen sich eigentlich die Resteuropäer einfallen wenn die Engländer tatsächlich glauben künftig auf eigene Faust gleichsam bindungslos durchzukommen Längst steht die Fragen nicht nur in London an sondern auch in Paris in den Niederlanden oder in den osteuropäischen EU Staaten wo weder der Europa Gedanke noch zeitgemäße Solarität angekommen zu sein scheinen Der Brexit als Demontagehebel für die Zukunft Euro pas das ist also kein Hirngespinst mehr Selbst wenn man die Auf geregtheiten der Medien beiseitelässt ergeben Prüfungen und Pers pektiven des eigenen Landes und seiner Gesellschaftsordnung reich lich Fragezeichen Hinter der neumodischen Verkürzungstendenz wie sie sich auch im seltsamen Begriff Brexit niedergeschlagen hat steckt mehr als Kommunikationsfimmel im elektronischen Zeitalter Weil und wenn ein ökonomisch angelegter Scheidungsprozess die Grundfesten der Identität der Gesellschafts und Wirtschaftsordnung und Organisationsfähigkeit der Europäer betrifft steht zweifellos mehr auf dem Spiel als der Austritt eines noch so gewichtigen Landes Brexit als Zeitzeichen Verstanden Verarbeitet Bei Wahrung eige ner Interessen und Bewältigung eigener Probleme bietet der Brexit zweifellos Gefahren wie Möglichkeiten Kontinental Europäer sind wohl gut beraten den schleichenden Abstieg Great Britains nicht schadenfroh zu kommentieren zumal in London nicht einmal verwal tungstechnisch die nötige Klarheit von den Scheidungskosten abgesehen geschaffen werden konnte Streift doch allein schon die Nachahmungsgefahr in dem einen oder anderen EU Land an hehre Grundsätze europäischen Selbstbewusst seins Auch sind europäische Ideen und europäische Gewohnheiten wie sie sich Jahrzehnte lang gehalten haben noch lange nicht verblüht oder verblasst Allerdings sind diese Werte gefährdet Wie schwer sich die Europäer tun von außen etwa aus Moskau oder auch Was hington nicht geschont zeigt ohnedies nicht nur der Fall Brexit Das europäische Projekt war von Beginn an nur bedingt sturmfest Was also ein Alberto Spinelli oder ein Robert Schumann seinerzeit auch im Sinn hatten ihre Ideen waren dem Verschleiß der Geschichte und der Politik ebenso ausgesetzt wie der doppelbödige Rat Winston Churchills Inzwischen haben zwar der Wohlstand und seine Attraktivität die europäischen Ideen unterfüttert krisenfester sind sie freilich kaum geworden Und die eigenstaat lichen Ambitio nen schneiden beim Test auf europäische Solidarität oft nicht über zeugend ab Aktuelles Beispiel wiederum Der Brexit Was die Not der Nach kriegsjahre der Kalte Krieg und die Mechanik des Wohlstandes bisher kaum oder gar nicht zustande gebracht haben tritt jetzt mit dem Brexit neuartig auf Was Europa trennt spaltet oder schwächt zählt vielerorts mehr als alle substanziellen Erfolge oder gelungenen Selbstverteidigungen der ach so alt gewordenen Welt Wie in einer schlechten Inszenierung taucht im Publikum die Frage auf wer jetzt unter den Umständen einer gewandelten Welt überhaupt in der Lage ist für sich sein Land und natürlich immer noch auch Europa zu handeln und nicht nur zu jammern Während Briten da und dort von heroischen Zeiten als Weltmacht träumen zählt es zum leicht mobilisierbaren Gehabe von Wohl standsbürgern dies und das zu beklagen im doppelten Sinn des Worts Demagogen würden ihrerseits Mentalität Begabung und manchmal auch Public Relations Fähigkeiten verleugnen wenn sie sich der einen oder anderen europäischen Brache nicht annehmen würden Fehlt es doch nicht an Beispielen wie sich Egoismus und Nationalismus organisieren lassen Dazu zählt jedoch auch dass Brüssel dieser Gemengelage naturgegeben kompliziert mehr denn je hilflos gegenüber steht Verwalten statt Politisieren derlei führt nur allzu leicht und schnell in die Sackgasse Etwas für Buchhalter der Macht Wer ihnen das Feld überlässt darf sich über überbordende Perfektion statt politischer Wegweisungen nicht wundern Die Laut Stärke der Egoisten und der Nationalisten vermag die stilleren Rhythmen wirtschaft licher und politischer Erfolge zeitweise zu übertönen Sie sind unumgänglich um moderne Volkswirtschaften im Sinne zeitgemäßer Gesellschaften am Laufen zu halten Zeigen doch schon das Beispiel Brexit und die anlaufenden Finanz diskussionen über den nun fälligen Scheidungsprozess Verflochten verbunden vereint und vertäut wie Europa innerhalb und außerhalb der EU tagtätlich funktioniert verträgt es eigentlich gewaltsame Unterbrechungen nicht Noch besteht die Möglichkeit am Beispiel des Brexit zu erkennen und dann auch durchzusetzen dass zeitge mäße Gesellschaften und moderne Ökonomien aufeinander ange wiesen sind Und dies vernünftigerweise untrennbar Wenn die politischen Eliten hier wie dort diese und ähn liche Zusam menhänge erkennen und respektieren ist Europa trotz Brexit natürlich noch nicht verloren Aber jenseits aller politisierten Rangeleien zeigt sich bereits Europa Minus England steht anders da Besser oder schlechter Abwarten Feststeht freilich schon jetzt dass eine Minus EU um eine Dimension schmaler oder auch ärmer gerät nämlich ohne britischen Pragmatismus und ohne eine ordent liche Portion Liberalität DHK aspekte 03 2016 49 WIRTSCHAFTMÄRKTE TRENDS

Vorschau Aspekte 3|2016 Seite 49
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