Ist Musik eine evolutionäre Anpassung Aus Platzgründen kann ich hier nur verkürzt die Diskussion über einen potenziellen adaptiven Wert der Musik wiedergeben Für den Stand der Diskussion sei auf meine Veröffentlichung im Springerverlag Vom Neandertal in die Philharmonie verwiesen Zusammenfassend gehen die Anthropologen davon aus dass unsere Fähigkeit Musik zu machen und zu genießen das Resultat einer natürlichen Selektion ist die in der Evolution des Menschen einen Beitrag zum Überleben des Stärkeren leistete Parallel mit dem Verhalten wurden auch die körperlichen Vo raussetzungen des Musizierens entwickelt Dazu gehören spezialisierte Hirnregionen in denen Musik bevorzugt verarbeitet wird zum Beispiel im Bereich der oberen rechten Schläfenwindung Der prominenteste Vertreter dieser Position war Charles Darwin In seinem 1875 in deut scher Sprache erschienenen Buch Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl sah er den Ursprung der Musik in der Liebeswerbung und zog Parallelen zum Vogelgesang Die von Darwin angesprochene Rolle von Musik bei der Werbung um Sexualpartner kann auch mit der Demonstration verborgener Qualitäten in Zusammenhang gebracht werden Man kann sich gut vorstellen dass das Singen eines jungen Mannes nicht nur ästhetischen Zwecken dient sondern auch Auskunft über seine Gesundheit geben kann Denn ein kräftiger Sänger leidet höchst wahrscheinlich nicht unter einer floriden Lungentuberku lose eine Information die immerhin bis zu Beginn des letzten Jahrhun derts für eine potenzielle Eheschließung von großer Bedeutung war Die starke emotionale Wirkung die von kräftigen Männerstimmen ausgeht man denke an das berühmt berüchtigte hohe C der Tenöre könnte also mit einer derartigen Demonstration von Fitness in Zusammenhang gebracht werden Aber es sind nicht nur die verborgenen Qualitäten des Musikanten sondern auch direkte akustische Merkmale von Musik die bestimmte Wirkungen entfalten So wissen wir heute dass ausdrucksvol les Musizieren zur Ausschüttung von Endorphinen führen kann wodurch Glücksgefühle ausgelöst werden die beim gemeinschaftlichen Hören der Intensivierung einer Bindung dienen können

Vorschau Aufschlüsse Nr. 75 Seite 44
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