19 standen nicht nur der Herrschaftsan spruch Jesu sondern die Glaubwürdig keit christlicher Verkündigung über haupt zur Debatte Im großen Foyer der Uni Mensa war das an der Tagesord nung Ein bis zweimal die Woche hatten wir dort einen christlichen Büchertisch Nebenan bauten die Kommilitonen der Karl Marx Buchhandlung ihren Stand auf Sie schauten oft amüsiert zu uns und ich hörte zum ersten Mal den Aus druck Pietcong mit dem die Frommen bedacht wurden Der Dienst an den Bü chertischen wurde gerne mit Musik aus Lautsprechern kämpferisch untermalt Ich meine noch Brechts Einheitsfrontlied zu hören wo es in der zweiten Strophe heißt Und weil der Mensch ein Mensch ist hat er Stiefel im Gesicht nicht gern Er will unter sich keinen Sklaven seh n und über sich keinen Herrn Diese Absage an jedwede Form von Herrschaft gibt gut das intellektuelle Klima wieder in dem ich damals ver suchte mich zu orientieren Pädagogisch fanden die kritischen Im pulse auch ihren Niederschlag im sozialisations begleitenden Religionsun terricht einem Konzept wie es in Frankfurt damals von Dieter Stoodt ver treten wurde Der Religionsunterricht sollte im Gesamtlehrplan der Schule zu einem Raum werden wo beispielhaft etwas von herrschaftsfreier Kommunika tion eingeübt werden konnte und Ju gendliche selbst mit ihren altersspezifi schen Lebensfragen zum Thema von Unterricht wurden Die Autorität bibli scher Überlieferung musste nicht fraglos hingenommen werden galt doch gerade die Verkündigung und Lebenspraxis Jesu als Vorbild für einen angstfreien kriti schen Umgang mit Autorität und das solidarische Eintreten für die Schwäche ren in der Gesellschaft Dass gerade im Falle Jesu Person und Sache sich nicht trennen lassen konnte dabei leicht über sehen werden Aus dem Bekenntnis zu Jesus wurde dann der Vorsatz einem christlich verstandenen Reformpro gramm zu folgen Und das Reich Gottes seine Königsherrschaft wie es im Grie chischen heißt stand synonym für hu mane und gerechte Lebensverhältnisse Maßgebliches Subjekt aber blieb der Mensch Für mich verband sich auf diese Weise ein erwachendes gesellschaftspolitisches Bewusstsein mit dem missionarischen Eifer aus der Jugendarbeit Dauerhaft war das nicht durchzuhalten Es gibt im Jargon der kritischen Theorie wohl eine Emanzipation des Ich als Ausdruck der Würde und Unverwechselbarkeit einer Person aber keine Emanzipation vom Ich Irgendwann stieß ich an Grenzen IN S P IR A T IO N

Vorschau Aufschlüsse Nr. 73 Seite 21
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