29 R E F L E X IO N Soll denn der Knoten der Geschichte so aufgehen die Wissenschaft mit dem Unglauben und die Religion mit der Barbarei Eindringlich fragt so der große protestantische Theologe Friedrich Daniel Schleier macher seine Zeitgenossen auf dem Zenit der Aufklärungsepoche Nach den Erfahrungen des 20 Jahrhunderts scheint es als hätten sich die beiden stärksten Stränge der europäischen Kultur aus ihrer Verbindung gelöst allerdings in anderer Richtung als der große Gelehrte aus Berlin befürchtete Die Aufklärung mit einer Tendenz zur Barbarei und die Religion mit einer Tendenz zum Unglauben Noch vor wenigen Jahren prognostizierten Intellektuelle das Ende der Religion ohne viel öffentli chen Widerspruch zu ernten Und selbst die die vorsichtiger von einem Gestaltwandel des Christentums hin zu einer sehr intimen Religions praxis ohne starke Bindung an Theologie und Kirche sprechen be schreiben den allmählichen Rückzug des Glaubens aus der modernen Alltagswelt In beiden Diagnosen wird die Religion sprachlos Indes wirkt auch die Aufklärung erschöpft Auch ihren Argumenten fehlt der Brustton starker Überzeugungen Die Befreiung aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit ist eine anstrengende Sache lieber sucht man die Schuld da bei anderen und erwartet die Lösung von dort Der Bruch mit den Traditionen führt zur kulturellen Amnesie die den Sinn für Herkunft und für Zukunft verstellt der Sturm auf die Autori täten hinterlässt diffuse Sehnsüchte nach Orientierung die man nicht so recht zugeben mag die Wissenschaften haben zwar die Fragen ins Unendliche vermehrt auf die großen Probleme der Menschheit aber nach wie vor keine Antwort gefunden Fast scheint es so dass nun die Aufklärung selbst Unglauben erntet und zwar da wo sie wie eine Reli gion mit Heilsversprechen aufgetreten ist als geistige Befreiung des RELIGION UND AUFKLÄRUNG Petra Bahr

Vorschau Aufschlüsse Dezember Seite 31
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