27 IN S P IR A T IO N Du bist nicht näher an Gott als wir wir sind ihm alle weit Aber wunderbar sind dir die Hände benedeit So reifen sie bei keiner Frau so schimmernd aus dem Saum ich bin der Tag ich bin der Tau du aber bist der Baum Ich bin jetzt matt mein Weg war weit vergieb mir ich vergaß was Er der groß in Goldgeschmeid wie in der Sonne saß dir künden ließ du Sinnende verwirrt hat mich der Raum Sieh ich bin das Beginnende du aber bist der Baum Ich spannte meine Schwingen aus und wurde seltsam weit jetzt überfließt dein kleines Haus von meinem großen Kleid Und dennoch bist du so allein wie nie und schaust mich kaum das macht ich bin ein Hauch im Hain du aber bist der Baum Die Engel alle bangen so lassen einander los noch nie war das Verlangen so so ungewiss und groß Vielleicht dass Etwas bald geschieht das du im Traum begreifst Gegrüßt sei meine Seele sieht du bist bereit und reifst Du bist ein großes hohes Tor und aufgehn wirst du bald Du meines Liedes liebstes Ohr jetzt fühle ich mein Wort verlor sich in dir wie im Wald So kam ich und vollendete dir tausendeinen Traum Gott sah mich an er blendete Du aber bist der Baum Rainer Maria Rilke Die Worte des Engels

Vorschau Aufschlüsse Dezember Seite 29
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